Der Löwenzahn, oder: Überleben ist essentiell
Gut gebrüllt, Löwe, denn lieber in den Löwenzahn als vom Affen gebissen. Der Wortspiele sind viele, doch die Quintessenz - der Waldmensch kennt's - verbleibt am Ende, was in den Mund geht durch die Hände.
Löwenzahn, Dent de Leon oder Dandelion, wie unsere englischsprachigen Comrades zu sagen pflegen, hat eine lange Tradition, die vermutlich bis in die Steinzeit zurückreicht - vermut ich mal. Der Name kommt aber wohl nicht von den Blatt-Zacken, wie es immer heisst, sondern von der Wurzel, die oft aussieht wie ein Zahn.
Die Wurzel ist mitunter ziemlich gross, dabei ist die Grösse der Blätter nicht einmal ausschlaggeben, sondern eher das Alter dieser mehrjährigen Pflanze. Sie wächst in Grüppchen, diese bilden oft dichte Nester, deren Wurzeln ineinander verdreht und verwachsen sind, was das Reinigen mit einer Bürste nicht gerade erleichtert. Zur Ernte schneidet man ein Stück Erde mit einem Radius von 5 bis 10 cm und einer Tiefe von etwa 10 bis 15 cm rund um die Basis aus und geht dann mit dem alten, stabilen Messer möglichst tief unter die Basis und hebt sie an. Sie reisst ziemlich leicht und man riecht dann bereits ihre Nährstoffe, etwa wie bei einer zerbrochenen Karotte.
Wie bei dem hohlen Stamm der Blume tritt an der Basis ein milchiger Saft zu Tage, der hässliche, schwer abwaschbare Flecken hinterässt, man sollte deshalb vorher die Hände mit Erdreich einreiben. Diese Milch übrigens, kann man sammeln und damit einen Kautschuk-Ersatz herstellen. Tatsächlich kam die Regierung Deutschlands während des WK2 zum Schluss, dass man damit die durch das Embargo fehlenden Kautschuk-Importe, welche das Militär dringend benötigte, durchaus ersetzen könne.
Es gibt einige Pflanzen, die fast gleich aussehen, den Dandelion sozusagen imitieren, aber sie alle haben nicht den charakteristischen Hohlstamm mit der klebrigen Milch, die braune Flecken auf der Haut hinterlässt.
Sie ist zweihäusig, dh. bei der Fortpflanzung kombinieren zwei Pflanzen ihre Gene. Normalerweise ist ihr Chromosomensatz diploid, aber durch spontane Mutation gibt es immer wieder Tetraploide. Kreuzen sich Tetraploide und Diploide, entstehen - wer hätte es geahnt - triploide Exemplare. So tummeln sich also auf jeder Wiese verschiedene Löwenzähne, mit zwei, drei und sogar vier Chromosomensätzen. (In der Natur sind hohe Anzahlen von Chromosomensätzen meist begleitet von grosser Lebensraft und Pracht einer Pflanze, weswegen in der Zucht oftmals durch Klonen solche Tetrapoide Sorten hergestellt werden) Ich persönlich glaube ja, Tetraploide verleihen Superkräfte, denn man isst, was man ist. Aber man nimmt halt dann, was die Natur einem gibt.
Lassen wir diese Bio-Engineering Aspekte mal gut sein.
Übrigens ist es gar nicht so einfach, am 7. Januar welchen zu finden. Obwohl das Erdreich ganzjährig voll davon ist, sieht man momentan kaum überirdische Teile. Es gelang mir aber, welchen zu finden, der über einer grösseren unterirdischen Kanalisationanlage wuchs, die für eine Art Bodenheizung sorgt, so als Spezial-Survival Tipp.
Der Löwenzahn gilt teilweise auch als Droge und vermittelt ein leicht euphorisches Gefühl, das könnte aber auch daher rühren, dass sein Verzehr die Erkenntnis vermittelt, dass man nicht verhungern wird, da er überall in Massen wächst. Zumindest, wenn wir immer noch einige Pfanzen stehen lassen.
Die Wurzel will gründlich gereinigt werden, eine Kunststoff-Bürste eignet sich hier gut, aber selbst dann muss man immer noch mit dem einen oder anderen Sandkorn rechnen. Zerschnitten zu Rädchen sieht er schon vor dem Kochen ganz zivilisiert aus, und fühlt sich auch nicht wie eine Wurzel im Mund an, was wünschenswert ist, denn der Gaumen isst bekanntlich mit. Notfalls kann man ihn allerdings auch roh und vor Ort verputzen. Den erdigen Geschmack wird man trotz Kochen nicht ganz los. Wer aber Bitteres nicht mag, der sollte den Blattansatz genauestens wegschneiden. Längeres Kochen vermindert zwar die relative Bitterkeit, macht ihn aber auch geschmacklos, was schade ist, denn er hat ein eigentümlich gemüseartigen Geschmack.
Der Löwenzahn, bzw. die Wurzel enthält viele Nährstoffe, insbesondere Kohlenhydrate und Eiweiss, Vitamine und viel Kalzium (was witzigerweise gut für kräftige, gesunde Zähne ist), einzig Fett kann er nicht liefern, was bei Gemüsen ja normal ist.
Ich koche/dämpfe ihn in wenig Salzwasser etwa 20 bis 30 Minuten zugedeckt auf kleinem Feuer, bzw. bis er gar ist. Kombiniere ihn mit Kartoffeln, oder verwende ihn als Einlage einer pikanten Sosse für zb. Teigwaren, insbesondere Pilzsosse eignet sich gut, weil das seinen erdigen Geschmack sozusagen legitimiert.
Heute würze ich ihn mit etwas Knoblauch und Frischkäse, der dringend gegessen werden muss (erstaunlich, wie lange der frisch bleibt, ist jetzt schon Höhlen-gereift). Ausserdem hab ich noch 2-3 Kartoffeln geopfert. So, jetzt muss ich aufhören mit Schreiben, denn mein Essen schein langsam fertig zu sein.