Hallo Judith,
Willkommen erst einmal.
Möchte Dir gerne ne "Mut-Mach" Antwort schreiben.
Im hiesigen Dialekt würde ich Dir sagen "Allet is jut"; und das, obwohl es auf den ersten Blick nicht so aussieht, so wie Du Deine Situation beschreibst. Warum soll nun alles gut sein? Ich meine, weil Du schon früh, in jungen Jahren noch, Wesentliches für Dich erkannt hast. Manche brauchen dafür Jahrzehnte, andere schaffen es nie Zeit ihres Lebens.
Du bist in Verhältnisse, Umwelt, Beziehungen hineingeboren und darin aufgewachsen, hier auch konditioniert worden in gewisser Weise, die Du nicht auswählen und beeinflussen konntest. Jetzt bist Du in einem Alter wo Du feststellst für Dich, dass Deine Wünsche und Bedürfnisse irgendwie konträr zu Deinem Lebensumfeld stehen, sich so nicht befriedigen und erfüllen lassen. Du hast noch Dein ganzes Leben vor Dir, freu Dich drüber, Du kannst die Weichen für Dich stellen, Stück für Stück, dahin, dass es "Dein" Leben wird, eines was Dich erfüllen kann und was zu Dir und Deinen Bedürfnissen passt.
Das ist ein Prozess, womöglich ein längerer aber vielleicht ist genau das der Sinn des Lebens, die eigene Aufgabe, Berufung herauszufinden, sich selbst zu finden. Das ist sicher nicht einfach aber was einfach, leicht und schnell zu erreichen ist, hat oft auch keinen besonderen Wert. Ich glaube die größten und schwierigsten Hindernisse auf dem Weg sind gar nicht mal in erster Linie finanzieller Natur sondern die Erwartungshaltungen der Gesellschaft, Familie, Freunde, Bekannte, denen man sich ausgesetzt fühlt. (Gerade in wohlhabenden, intellektuellen Kreisen) Man möchte ja angenommen, geachtet, respektiert und ge- bzw. beliebt sein in der Regel. Man möchte seine vom "Standard" abweichenden Gefühle und Bedürfnisse nicht erklären und rechtfertigen müssen, vielleicht hat man Angst davor "belächelt", ausgestoßen, einsam zu sein, Angst vor Zerwürfnissen im engsten Kreise. Alles nachvollziehbar und normal denn auch das, das anerkannt und angenommen sein, sind wesentliche menschliche Grundbedürfnisse.
Ich bin jetzt Ü50 schon, lebe seit ein paar Jahren in einem kleinen Häuschen mit Grundstück, um mich herum habe ich ausgedehnte Wälder und viele Seen, ich bin sehr viel in der Natur, ich würde fast behaupten, ich bin inzwischen eins mit ihr. Ich bin irgendwie angekommen und sehr bei mir. Es war kein leichter Weg dahin und wie es gewesen wäre, wenn mir das sozusagen in den "Schoß" gefallen wäre vielleicht schon in jungen Jahren, kann ich nicht sagen. Ich hatte extrem viel gearbeitet im Leben, bis zur Erschöpfung, ich vermute dass der Genuss dieses natürlichen, selbstbestimmten und ruhigen Lebens welches ich jetzt "meist" habe damit zusammenhängt, dass es eben nicht so leicht zu erreichen war.
Wenn Du meine Tochter wärest (meine eigene ist auch noch unter 30), würde ich Dir raten, dass Du Dein Jurastudium erfolgreich zu Ende bringst. Neben dem was Du nach dem Jurastudium angedacht hast würde ich Dir empfehlen, auch Rechtsabteilungen größerer Unternehmen als potentiellen Arbeitsgeber ins Auge zu fassen um da ein paar Jahre zu arbeiten, Erfahrungen zu sammeln, finanzielles Polster für den Ausstieg aufzubauen. (Hatte selbst sehr viel mit Anwälten, Rechtsabteilung im Unternehmen zu tun)
Fundierte juristische Kenntnisse können auch für einen "Aussteiger" sehr, sehr nützlich sein. Ich selbst als Laie kämpfe mich grad durch Bau- und Verwaltungsrecht.....brrr.
Judith, vielleicht liege ich ja falsch aber Du scheinst mir vom Typ eher introvertiert, nachdenklich mit ggf. Neigung zum Grübeln, sensitiv, sensibel, das in Kombination mit Hochbegabung? Falls das zutrifft, erinnert mich das an eine Schulfreundin; in der Schule ein Genie, nur Bestnoten, als "Ausnahmefall" vorzeitig an die Uni geholt, dann als sie Mitte 20 war, in der Zeit der Wende, hat sie alles hingeschmissen, sogar ihre Promotion die kurz vor Anschluss stand und ist mit ihrem Partner (ebenfalls Akademiker) ausgestiegen und zwar ziemlich radikal. Er hat seit vielen Jahren eine Gärtnerei für zum Teil auch seltene Pflanzen, sie ist nach Jahren wieder ein Stück "rückeingestiegen", lebt eine Art Kombie aus Austiegsleben (Eigenes Gehöft) und Teilzeitjob als Programmierer.
Judith, ich glaube Du machst nichts falsch, finde Deine Wege im Labyrinth des Lebens für Dich auch wenn Du noch ne zeitlang zweigleisig fahren musst um Dich loslösen zu können.
Vor einigen Jahren sah ich mal einen TV Bericht der mich ziemlich beeindruckt hat. Ein renommierter Herzchirurg aus Bayern hatte als er irgendwo Mitte 50 war alles hingeschmissen und sich seinen Kindheitstraum erfüllt. Er hat sich einen Truck (weiß nicht ob die Bezeichnung richtig ist) gekauft, für Flüssigware (Abfüllung über Rohre) fährt seit dem Transporte und ist glücklich mit seinem Leben.
LG jana
PS: Zitat" Hinter Palastmauern werden die größten Tränen vergossen"
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