(aus meinem Buch, das wohl niemals veroeffentlicht werden wird)
Ich lernte Joao kennen. Joao ist fast Deutscher und lebt seit Jahren in Malaysia. Joao ist kaputt. Zunaechst machte er einen ernsten Eindruck auf mich. Ein Mann mit etwas Bildung und Ideen. Er erzaehlte mir von seiner Segelyacht: Ein 16 Meter Zweimaster: „Baiana“ den er gerne im Tourismus einsetzen wuerde. Ihm fehlte aber der nautische Hintergrund und das Boot brauchte auch ein paar Reparaturen. Er hat nicht gelogen. Jedenfalls nicht wissentlich. Wir sind dann gemeinsam zum Boot, das in Lumut auf Reede liegt und haben uns das Ganze mal angeschaut.. Ja: Arbeit gab es wirklich satt. Die Maschine war mal ueberholt worden aber nicht wieder angeschlossen. Die gesamte Elektrik musste ueberarbeitet werden und der Innenausbau war schon mal angefangen worden, aber noch nicht zu Ende gebracht. Ich habe zu dieser Zeit nicht gesehen dass es in Melaka irgendwie weiter geht und so kamen wir ueberein dass ich das Boot ueberhole und spaeter in Penang als Skipper charter betreibe. Den Profit wollten wir uns teilen. Drei Wochen sollte die Maschine und generelle Arbeiten dauern; dann war die Ueberfuehrung geplant und der Rest sollte Schritt fuer Schritt in Penang zu Ende gebracht werden. Damit das was nun folgt klar ist: Ich hasse Joao nicht. Ich schaue lediglich auf ihn herab und lehne seine Lebensart ab. Eines abends sassen wir dann also endlich zusammen an Bord und haben besprochen wie wir loslegen. Erst Mal musste der Generator laufen. Der Generator war bei seinem Freund und das ist 20 km von hier. Auf dem Weg dorthin haben wir noch ein paar Einkaeufe erledigt. Damit war dann der erste Tag vorbei, weil Joao jeden Artikel in einem anderen Geschaeft einkauft. Bohnen und Zwiebeln hier. Milch da. Und so weiter. Abends hat er dann in der Pantry herumgezaubert. Nur mit Laterne und Kerzen weil die Elektrik ja noch nicht wieder lief. Nach dem Essen sassen wir dann zusammen und er hat besprochen wie wir loslegen werden. Erst mal muss der Generator laufen. Klar. Joao hat Rueckenbeschwerden und so war das meiste Gewuppe meine eigene Aufgabe. Die naechsten Tage verbrachten wir mit dem Generator. Zwei Batterien gab es auch und so hatten wir ein wenig Licht. Joao als Abstrakt-Ingenieur hat zwei linke Haende. Und er hat auch ein Rueckenleiden. Darum konnte er die meiste Zeit nicht helfen und hat sich statt dessen in diversen Geschaeften um den Lebensmittel-Einkauf gekuemmert. Er hat auch ruehrend in der Kueche geruehrt. Ich werde in guter Erinnerung behalten wie ich im Maschinenraum stehe, die Haende voller Schmieroel, schweissgebadet und den Generator endlich an Ort und stelle. Da taucht sein Gesicht in der Luke auf und verkuendet strahlend: Essen ist fertig! Nach dem Essen sassen wir dann im dunkeln weil der Generator noch nicht lief und Joao hat besprochen wie wir loslegen werden. Zum Glueck musste er dann ein paar Tage nach Kuala Lumpur und ich konnte mich auf echte Arbeit konzentrieren. Der Generator lief jetzt endlich. Eine Weile - und dann brach er zusammen, weil er vorher vom oertlichen Fachmann gewartet worden war. Ich hatte auch endlich Zeit, im Schiff aufzuraeumen. Auf diese Weise schafft man Ordnung und gewinnt den Ueberblick. Dann kam Joao zurueck. Er brachte ein paar Sachen fuer das Boot mit: Fernseher, eine 60er Jahre Tisch-Lampe, zwei halbfertige Schiffsmodelle fuer seine Kinder und frische Bettwaesche. Nachdem er in diversen Geschaeften Lebensmittel besorgt hatte, fing er erst mal an, das Schiff aufzuraeumen und ich verlor den Ueberblick wieder. Abends haben wir dann zusammengesessen und Joao hat besprochen wie wir loslegen werden. Das Programm wurde erweitert: Aircon musste her und die Instrumente angeschlossen werden. Abends: A: Joao, ich kann die Logge nicht finden. Wo ist die? J: Das Boot hat keine Logge A: Hey Mann. Wie willst Du die Geschwindigkeit finden? Fuer die Navigation? J: Brauchte ich nicht bis jetzt. Glaubst Du, wir koennen eine Satellitenschuessel ueber dem Radar anbringen? A: Weiss nicht. Wir sollten erst Mal eine Logge einbauen. J: Ich schau mal in KL ob ich eine billige Satellitenschuessel finde. A: Und was ist mit der Logge? J: Ja JA!. Dann kauf ich Dir eben eine Logge. Diesen abend hatten wir Bratkartoffeln wie bei Muttern. Kochen kann er immerhin. Eines Tages wurde dann die Ankunft von Jan angekuendigt. Jan ist ein Freund und hat eine Menge Erfahrung mit Laminier-Arbeiten. Der kann uns helfen. Uns! Nachdem Arbeitskraefte gesichert waren, hatte Joao Zeit um nach Deutschland zu fliegen und seine Schwester zu besuchen, Geschaeftskontakte zu knuepfen und die Bootsmesse zu besuchen. In zwei Wochen waere er zurueck. Joao und Jan kamen mitten in der Nacht mit dem Bus an und klingelten mich raus um sie abzuholen. Baiana liegt an einer Mooring in der Naehe vom Yachthafen. Das ist billiger so. Nur muss man mit dem Tender hin und her. Jan ist mit zwei Partnern in KL selbstaendig mit GFK Produkten taetig. In Deutschland hat er das Gleiche in Ost-Berlin gemacht, hat sich aber nicht halten koennen. Er hat gerade geheiratet, bekommt bald ein Baby und ist gluecklich. Und er wuerde UNS ein wenig helfen. Joao liess uns ein wenig Geld da und musste jetzt nach Deutschland fliegen. Zwei Tage lang lebte sich Jan ein. Er wusste nicht so recht wo er anfangen soll und es stellte sich heraus, dass er und Joao eigentlich gar nichts geplant hatten. Also half ich ihm bei der Orientierung. Er fummelte eine Weile hier und da, erzaehlte eine Menge ueber seine Frau und sein Baby und wie gluecklich er sei. Er liess mich auch an seinem Kummer teilhaben: seine Geschaeftspartner wollen ihn uebers Ohr hauen. Armer Jan aus Ost-Berlin. Schliesslich entschied er sich, zunaechst das Beiboot zu reparieren. Wir hatten noch ein Schlauchboot in Reserve. Gute Idee. So waere er an Land beschaeftigt und ich koennte endlich wieder arbeiten. An Land gibt es einen Boatshop. John betreibt den und ueber John gibt es auch eine Menge zu erzaehlen. Dorthin brachte Jan das Beiboot und fing auch tatsaechlich an, das Dinghi abzuschleifen. Das haette er besser zu Ende gebracht, denn dann kam das Wochenende und Jan fuhr Heim zu seiner geliebten Frau. Jan kam nicht wieder. Er rief an und liess mich wissen dass er sich Denghe Fieber eingefangen hatte. Na gut. Es gab ja genug Arbeit fuer mich und ich wuerde mich ohne ihn eher nicht langweilen. Nach zwei Wochen hatte sich Jan noch immer nicht erholt. Er hatte alles Geld mitgenommen und mir ging jetzt die Kohle aus. Joao fand auch nicht den Weg zurueck und ich machte mir Gedanken, ob ich nicht schon wieder einen Fehler gemacht hatte. Es kamen auch alarmierende Informationen von der Umwelt herein: Geschichten ueber Joao und seine Yacht.
Offenbar hat Joao nicht die Spur von Geld fuer die Reparaturen. Man sagt, dass ihm seine Schwester staendig Geld schickt aber das ist seine Sache Es ist aber sehr wohl meine Sache zu hoeren, dass er seit Jahren an seiner Yacht herumwerkelt und er dauernd neue Leute anbringt die helfen sollen. Alle sind aber frueher oder spaeter weggerannt. Er haelt seine Versprechen nicht. Ausserdem schnorrt er wo es nur geht und keiner mag ihn so recht. Joao war immer noch nicht zurueck und mir ging das Geld aus. Jan genoss es offenbar krank zu sein. Zum Glueck bot mir John an, bei seinen Reparaturen zu helfen. Das kam sehr gelegen und machte mich etwas fluessig. Von John kamen auch ein paar Anekdoten ans Tageslicht. Baianas Elektrik ist total demontiert und das passierte aufgrund eines Wasserschadens: Joao wollte eines Tages ein wenig ankern gehen. Dabei war er auf Grund gelaufen und kam zu dem Schluss dass die Wassertiefe wohl schuld sei. Da hat er mit natuerlicher Intuition seinen Ankerplatz ein paar Meter weiter verlagert. Waehrend der schoenen Ankerei fiel ihm dann ploetzlich ein dass er doch ein Date hatte. Freund J. ist zuweilen etwas hormongesteuert und er konnte auch dieses Mal nicht gegen seinen besten kleinen Freund ankommen. So bestieg er das Beiboot um an Land zu gelangen damit er dort weiter Besteigen konnte. Nun Schlug das Schicksal zu: Ueberraschend setzte die Ebbe ein ( wie jeden Tag ) und Baiana ruhte sich auf ihrem Kiel aus. Das Wasser wich weiter und Baiana legte sich auf die Seite fuer ein Nickerchen. Ein dickes schweres Stahlschiff kann das verkraften. Es verkraftet allerdings nicht einen Skipper der keinen blassen Schimmer von Seemannschaft hat und noch nicht mal da ist. Nach der Ebbe kommt Flut. Das Schiff hatte sich wohl etwas eingebuddelt und schwamm nicht gleich wieder. Halb so wild, wenn nicht die Bullaugen offen gewesen waeren. Die steigenden Wellen schwappten froehlich hinein und aus war’s mit dem Schwimmen. Das erkannte auch Joao als er dann irgendwann wieder zurueck war. Weil es auf Nipp-Tide zu ging, dauerte es zwei Wochen bis der Nachen wieder flott kam und es soll innen unangenehm gerochen haben.
Baiana hat einen besonderen Autopiloten. Ueblicherweise ist das ein Instrument dass das Boot steuert. Baiana steuert sich selbst. Schon einige Zeit frueher fiel Joao mit einem Ankermanoever auf, bei dem er an der richtigen Stelle zum richtigen Moment den Anker in’s Wasser warf. Das allein war schon ungewoehnlich genug. Aber niemand hat verstanden warum am Anker keine Leine befestigt war. So war es fuer Niemanden eine allzu grosse Uebberraschung als Baiana dann eines spaeteren Tages das Navy-Dock besuchte. Ganz aus eigener Entscheidung. Joao war in KL zu dieser Zeit und hat spaeter behauptet, jemand haette seine Ankerleine gekappt. Er hat aber erstaunlich schnell reagiert und mehrere Leute am Telefon bejammert bis er einen Dummen fand, der ihm das Schiff wieder an den alten Platz brachte. Als Baiana spaeter dann ein weiteres Mal driften ging und auf der Sandbank landete, hatte John so viel Mitleid, dass er eine Beton-Mooring installierte. Seitdem haelt das Schiff die Stellung und eines Tages wird es wohl auch auf der Seekarte eingetragen werden. Falls es nicht als Korallenriff endet. Jo war schon eine Weile wieder im Lande aber kam einfach nicht vorbei. Mit meinem neuen Hintergrundwissen dachte ich mir dass seine Schwester wohl auf die Geld-Bremse getreten hatte. Zum Glueck kannte ich inzwischen ein paar Jungs die Boots-Reparaturen brauchten und so habe ich die Warte-Zeit mit etwas Geldverdienen totgeschlagen. Joao muss sich noch eine Weile Illusionen gemacht haben, sein Gefaehrt zu nutzen, denn im Club nebenan hat brav der Tender gewartet. Ein uebles Beiboot, das frueher mal gelb war und kuerzlich wie erwaehnt von Jan ueberholt wurde. Strukturell noch immer ein Himmelfahrtskommando, aber schoen weiss innen drin. Dieser Tender liegt nun seit Wochen an der gleichen Stelle und wartet. Der hintere Anbinde-Strick reisst regelmaessig weil er aus ungeeignetem Material ist und John flickt es immer wieder zusammen. Fuer eine echte Leine hat selbst er keinen Nerv. Und es ergab sich zu dieser Zeit dass das Lotsenboot heimkam. Das hat seinen staendigen Platz hier und geht jeden Tag rein und raus. Eine ueble Konstruktion in gelb-orange, die mehr Wellen verursacht als der letzte Tsunami. Aus keinem besonderen Grund waehlte der Mann diesen Tag einen anderen Liegeplatz als ueblich. Ich muss wahrscheinlich nicht erwaehnen dass Baiana’s Tender im Weg war und somit etwas zerknittert wurde. Joao war erwartungsgemaess sehr beeindruckt als er informiert wurde. Er hat alle moeglichen Leute angerufen, die helfen sollten. Der Lotse jedenfalls ist unbekuemmert nach Hause gegangen und schliesslich hat – na wer wohl – John nicht nur das Wrack eingesammelt, sondern auch noch den Polizei-report erledigt. Seither liegt der Tender hinterm Schuppen und wartet weiterhin. Jo hatte zwischendurch angerufen und um meinen Rueckruf gebeten. Ob er mich wohl fragen will ob ich den Tender repariere? Leider habe ich so wenig Zeit: Da ist das neue Computerspiel und meine Freunde im Pub kann ich auch nicht vernachlaessigen. Da faellt mir ein dass ich ganz vergessen habe, Jo meine neue Telefon-Nummer zu geben. Na; das kann ich naechstes Jahr ja auch noch erledigen. Vielleicht.
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