Erinnerungen an Atlantis
I Auf diesem Wege möchte ich Euch ein paar meiner Erlebnisse schildern, wie ich versuchte, mich in der Karibik niederzulassen und auszusteigen.-
Die Anreise war lang und ermüdend: Von Berlin mit dem Zugding über Köln, Brüssel nach Paris. Dort mit dem Flugding über das Meer.
Dadurch bekam ich nötigste Neuigkeiten nicht mit, suchte mir in X – die Reise sollte eigentlich weiter führen zur herzallerliebsten Nachbarinsel Y - eine Unterkunft für wenige Tage.
Am dritten Tage jedoch wunderte mich, dass die Dame, die das Haus betreute, mich mit den Worten gen Unbekannt verließ: Viel Glück!-
Nun, der Sturmgott war offenbar sehr, sehr wütend, und er schleuderte einen Hurrikan in unsere Richtung, genau auf mich zu. Düstere, unheilschwangere Wolken zogen auf, und verkündeten das bevorstehende Strafmaß: Am Nachmittag begannen die Winde zu toben, die Palmen bogen sich, die Früchte fielen zerschmettert zu Boden, alles, das zu leicht befunden wurde, wurde fort geblasen. Regen begann zu fallen, aber nicht ein Regen, den unsereins auch Regen nennen würde: Es war eine Wasserwand, undurchdringlich, ungeahnte Wassermassen, ein Getöse sondergleichen. Gegen Abend erreichte der Sturm seine volle Kraft und tobte die Nacht hindurch. Da ich vollkommen alleine und unvorbereitet in dem Haus war, mit der Aufgabe, die Tiere zu Füttern, schaute ich nach diesen: Schweinchen Rosalie steckte mit der Nase in einem riesigen Sack mit Futter, und grunzte zufrieden. Sie und die anderen Gänse und Hühner hatten sich in die Garage verzogen, und ich glaubte fest daran, sie wüssten, was sie tun … Derweil schepperte es draußen gewaltigst, ein Chaos, wie ich es nicht in Worten zu beschreiben vermag. Die Dächer der weiter entfernten Nachbarn wurden abgetragen, manchmal klatschte eine Zinkfolie gegen die Wand, oder andere, undefinierbare Dinge wurden mit viel Lärm über das Land getrieben. Am meisten Sorgen machte mir jedoch das kleine Rinnsal neben dem Grundstück, das inzwischen zu einem gewaltigen, alles vernichtendem Strom angeschwollen war, und drohte, mich samt Tieren und Gebäude in die See zu reißen. Nach wenigen Stunden fielen Strom und Wasser aus, doch hatte ich rechtzeitig Regen in Tonnen gesammelt, und ein paar Kerzen gefunden. Die Nacht war schlaflos, ich hielt mich im innersten Raum des Gebäudes versteckt, auf das solide Dach vertrauend. Jede Stunde schaute ich in einem kurzen Rundgang durch die Zimmer nach den Tieren, wo Rosalie mit Schaum vor dem Mund inzwischen alles verspeiste, was sich verspeisen ließ. Die anderen Tiere hatten sich in stiller Eintracht um Rosalie herum eng aneinander gekuschelt, und ich erwischte mich ernsthaft in dem Gedanken, mich dazu zu gesellen, doch ließ mir der wütende Sturm keine Ruhe. Sogar der stolze Hahn reihte sich demütig ein zwischen seine Damen. Gegen Mittag des nächsten Tages ließen Wind und Regen langsam nach. Wie einst Noah auf der Arche wagte ich es, einen Fensterladen zu öffnen. Was ich erspähte, ließ mir den Atem stocken: Zerfleddert waren alle Blumen und Büsche und Bäume, Unrat lag überall verstreut. Der reißende Strom nebenan hatte buchstäblich nur wenige Zentimeter vor der betonierten Terrasse angehalten, strömte jedoch immer noch bedrohlich in Richtung Meer, tote Tiere und vielleicht auch hilflose Menschen mit sich reißend. Das wahre Ausmaß dieser Katastrophe war verheerend, wie sich in den nächsten Tagen herausstellte: Die Nachbarinsel Y, wo ich eigentlich auszusteigen gedachte, war komplett verwüstet, nur 40 Kilometer jenseits des Meeres. Nachbarn aus der Umgebung bahnten sich am nächsten Morgen ihren Weg zu mir. Ich selber war gesund, hatte einigen Reis gefunden, und Streichhölzer, mit dem ich das gesammelte Wasser verkochte. Schweinchen Rosalie lag voll und überfressen in der Garage, die gefiederten Freunde schnatterten durch das abenteuerliche Gelände, überlebten aber allesamt. Mit der Machete begann ich, Grundstück und Gelände zu säubern, aufzuräumen. In der Ferne bahnten sich Feuerwehr und Katastrophenschutz Stück für Stück ihren Weg durch die verwüstete und zerzauste Landschaft. Die Nachbarn schauten öfter vorbei, einmal half ich ihnen ein wenig. Die Frau des Hauses kochte etwas und lud mich zum Essen ein, freundlich, sehr freundlich. Im Gegensatz zu mir hatten sich ja alle anderen vorbereitet auf dieses Ereignis, und dementsprechend Vorräte anlegen können. Einmal kam dabei die Sprache auf mich, und was ich vorhabe: Tourist? Magst Du Strand und Musik? Nein, antwortete ich entschieden, Ich steige hier aus!-
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