Shiva hat geschrieben:
Ja, das ist immer so ein Problem. Fakt ist, dass du rein gesetzlich verpflichtet bist, in Deutschland eine Krankenversicherung zu haben, obwohl es auch genügend Leute gibt, die ohne leben. Ich glaube das Problem mit der Gesundheit, ist das ausschlaggebende, was die meisten an einen radikalen Ausstieg hindert.
Ganz ehrlich juckt es mich nahezu in den Fingern, und das schon länger, hieraus eine Grundsatzdebatte zu machen, da ich es als Gebot sehe, möglichst kritisch und offen darzulegen, was denn nun dieses "Aussteigen" ist, von dem hier jeder redet.
Gebot deshalb, weil es für mich, wie immer, um Wahrheit geht. Also eben auch um Klarheit. So gut wie möglich rechtfertigen, was denn nun "Aussteigen" für einen selbst ist, was "Ausstieg" sein soll, das ist denke ich ziemlich wichtig, wenn es hier um mehr gehen soll als (Selbstbe)Trug und Schein.
Nun will ich aber gewiss niemandem absprechen, Aussteiger zu sein, wenn er sich so sieht. So meine ich das nicht.
Aber von Anfang und erstmal zu supertramps Frage:
Ich sehe es ganz genau so. Ausstieg ohne etwas, aus das ich aussteige, ist logischerweise kein Ausstieg. Wenn die Worte noch einen Wert, einen Sinn haben sollen, dann kann man nicht alles beim selben Namen nennen. Was soll das eigentlich? Wenn ich nur die Beine hochlegen will und "mein Glück genießen" (was auch immer das sein soll), bin ich in erster Linie ein Beinhochleger und Glück-Genießer, aber noch lange kein Aussteiger. Wenn ich ein kleines Land bepflanzen und ernten mag, bin ich Landbesitzer und sein Bepflanzer und Erntner. Aber noch lange kein Aussteiger. Es geht mir nicht um eine "allgemeingültige Definition dieses Begriffs", denn das ist schlichtweg nicht möglich. Nur deshalb braucht es auch nicht in Halbwahrheiten ausarten, wie ein "bisschen schwanger" und ein "bisschen Ausstieg". Das gibt es nämlich auch nicht.
Und wenn ich immer dieses "Ach, das ist so schwierig alles" lese, dann frag ich mich, bei wem sich da eigentlich beklagt wird. Ihr wollt es doch? Oder wollt ihr es nicht? Wenn ihr es aber wollt, was liegt daran? Ihr bekommt doch schließlich dafür euren Willen. SEID EUCH MAL SELBST EIN BISSCHEN MEHR WERT!
Wo bleibt da bloß die Leidenschaft? Wo? Habt ihr jetzt eine Überzeugung oder nicht? Was unterscheidet euch nochmal von den roboterhaften Abziehbildern die ihr Leben sinnlos verschallern? Die keinen Unterschied machen?
Und kommt mir nicht mit Kompromissen! Die goldene Mitte ist an sich völlig wertlos. Wenn ich die Wahl habe zwischen dem Guten und den Bösen, ist die Mitte nicht das Beste, sondern das Gute.
...
Ich habe letztens einmal grundsätzlich darüber nachgedacht, ob ich ein Aussteiger bin. Und nein, ich bin kein Aussteiger. Ich bin ich selbst, unsagbar durch Worte. Das Aussteigertum ist nicht meine Sache. Nur meine Sache ist meine Sache.
Und doch bin ich hier, gewiss. Warum ist das nun so? Wir" finden uns hier doch zusammen, um etwas Gemeinsames zu verfolgen, mehr oder weniger, das uns wichtig ist. Ein bestimmter Zweck, mit dem wir alle einverstanden sind. So etwas wie ein "Verein", könnte man sagen. Sonst wäre unsere Zusammenkunft doch kompletter Blödfug. Oder verstehe ich das falsch?
Aber was ist das denn nun, dieser unser gemeinsame Zweck?
Das halbe Forum ist voll von Weltschmerz und in der Off-Topic geht es doch nur wieder um das heimische, private Glück, die rosarote Brille und lauter beschränkter Lebensweisheiten. Ich meine das nicht respektlos. Ganz und gar nicht. Es verwirrt mich nur. Es verwirrt mich ehrlich gesagt total. Auf der einen Seite wird den Menschen ihr kurzsichtiges Verhalten angekreidet, auf der anderen Seite geht ihr doch auch nur wieder eurem eigenen Schatten nach. Was glaubt ihr eigentlich, warum es auf der Welt so zugeht? Warum sich nichts Großes ändert? Doch nicht etwa, weil nicht alle nach ihrem Glück suchen? Viel eher doch, weil niemand nach seinen Überzeugungen lebt. Die eigenen Ideale werden einem ruchlosen, teuflischen Pragmatismus unterworfen, der viele Gesichter hat, u.a. Staat.
Oder sprechender: weil niemand das große Ganze im Blickfeld hat, weil die Konsequenzen des eigenen Handelns nur halbherzig abgewogen werden.
Ich frage euch also, aus was steigt ihr eigentlich aus? Aus einem jahrzehnte alten Trott? Von einem in den nächsten Trott, oder wie? Worum geht es? Was ist wichtig? Wieder nur das eigene Wohlergehen? Oder gibt es größere Bedürfnisse, denen man die kleinen Bedürfnisse unterordnet? Größere Werte, denen man die kleineren unterordnet? Prinzipien, die auch gegen den eigenen Vorteil durchgerungen werden? Ich sehe nämlich weitestgehend keine.
Was ich hier antreffe ist eine ähnliche Schizophrenie und Widersprüchlichkeit, wie die, die für uns alle so furchtbar alltäglich geworden ist. Dieses "Ja"-sagen und "Nein"-machen. Für wirkliche innere Freiheit fehlen den meisten die geistigen Voraussetzungen. Das sind weitestgehend Bildungslücken, die man niemanden vorwerfen kann. Für die kann niemand was, das ist ja gerade das Schlimme.
Aber dann tut doch auch bitte nicht so, als wäre irgendwas damit gewonnen, wenn man sich mit weniger zufrieden gibt, als den "wirklichen" Ausstieg (Ihr wollt doch immerhin "Aussteigen"!). Das ist natürlich euer Recht. Und genau das respektiere ich auch völlig. Aber genauso gut ist all das euer Recht, was ihr nur irgendwie durchsetzen könnt. Damit will ich sagen "das Recht allein" ist der wohl schlechteste Grund irgendwas zu tun oder zu lassen. Besser doch ich strebe nach was Großem, damit mein Recht auch ein Großes sei.